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Freitag, der 13. : Herz-OP-Tag

  • Beitrags-Kategorie:Allgemein

Hätten wir nicht seit gestern mehrere epileptische Anfälle pro Tag,
wäre dieser Tag heute bei mir wahrscheinlich untergegangen.

Erstens ist zu Hause immer so viel los
und wenn der Held 24 Stunden-Dienst hat sowieso.
Zweitens habe ich gelernt, dieses Datum gut zu verdrängen.
Freitag, 13. April 2007 – Herz-OP-Tag.

Wir haben mit diesem Datum schon alle Varianten versucht.
Das erste Jahr nach der OP sind wir ins Krankenhaus auf die Kinder-Herzstation gefahren.
Danach die Jahre haben wir gefeiert,
dann haben wir ihn in Erinnerungen gepackt,
schließlich ignoriert und letztlich einfach gut verdrängt.

Der Held würde vielleicht sogar immer noch feiern,
wenn unser Leben es hergeben würde.
Es ist ja auch ein Grund zum feiern
und der Held war sich auch schon immer sicher:
Der kleine Stern ist ein Kämpfer
und wird alles meistern und gut überstehen.
Er hatte keine Angst um den kleinen Stern.

Bei mir sieht das anders aus.
Das erste Jahr nach der OP
konnte ich kaum das Krankenhaus betreten.
Den Türöffner zur Kinder Herzstation
konnte ich nur noch verschwommen erkennen,
wenn ich mit tränengefüllten Augen krampfhaft versuchte meine Gefühle in den Griff zu bekommen..

Und als schließlich die Tür aufging und mir der Geruch der Station entgegenströmte,
auf der wir so viele Wochen verbracht hatten,
stand ich kurz vorm Nervenzusammenbruch
und konnte lange keinen einzigen Schritt weiter gehen.

Ich kann das nicht erklären
und weiß auch nicht, wo es herkam.
Ändern konnte ich es lange allerdings auch nicht.
Noch heute macht sich in meiner Brust
ein beklemmendes Gefühl breit,
sobald wir mit dem kleinen Stern
nur auf dem Weg in ein Krankenhaus sind.
Selbst, wenn es sich nur um Routineuntersuchungen handelt.

Und seit ich weiß, welcher Tag heute ist,
könnte ich nur noch heulen.
Dabei gibt es dafür eigentlich gar keinen Grund.
Oder doch ?
Ich habe keine Ahnung.
Es ist einfach
Freitag, der 13. April 2024 …
genau 17 Jahre nach dem HERZ-OP-TAG !!!

Genau heute vor 17 Jahren
hatte der kleine Stern seine Herz-OP.

Und für mich war das einer
der schlimmsten Tage meines Lebens.

Ein Rückblick:

Wir sind seit Wochen im Krankenhaus
auf der Kinder Herzstation.
Als wir hier ankamen,
wollte man uns eine Nacht
zur Beobachtung da behalten
und mit ziemlicher Sicherheit
am nächsten Tag wieder nach Hause schicken.
Der kleine Stern hätte noch wachsen und zunehmen sollen, bevor man sein Herz operiert.

So war der Plan.
Er war doch noch nicht mal 3 Monate alt.

Wir werden nicht wieder entlassen
und dem kleinen Stern geht es von Tag zu Tag schlechter.
An Schlaf ist irgendwann nicht mehr zu denken.
Ständig geht irgendein Alarm los
und wir sind mit 3 weiteren Kindern (plus Eltern)
in einem Zimmer.
Ständig zu zweit im Krankenhaus zu sein
macht uns irgendwann wahnsinnig
und die Hilflosigkeit
mit der man dieser Situation gegenüber steht auch.
Der große Stern ist die meiste Zeit
bei Oma und Opa in Hannover.
Da plagt uns das schlechte Gewissen.
Wenn ihn das Heimweh packt,
bringen Oma und Opa ihn sofort zu uns nach Hamburg.
Bis ihn dann der Krankenhauskoller packt,
wacht er unermüdlich mit uns über den kleinen Stern.
Dann holen Oma und Opa ihn sofort wieder ab.
Noch mehr schlechtes Gewissen.

Immerhin kann er bei Oma und Opa
einfach mal zwischendurch das Kind sein genießen.
Er ist gerade erst 2 geworden
und kann die volle Situation noch gar nicht überblicken.
Das es seinem kleinen Bruder aber gar nicht gut geht
hat er schon verstanden.

An manchen Tage renne ich wie ferngesteuert
über den Krankenhausflur.
Immer unter Strom von Alarm zu Alarm
bis hin zu abpumpen,
Milch einfrieren,
Milch auftauen,
über die Magensonde füttern…
der kleine Stern spuckt alles wieder aus,
zieht sich die Magensonde …
also neue Sonde legen,
Alarm geht wieder los,
wickeln,
neue Milch aufwärmen,
nochmal über die Magensonde füttern,
zum Glück bleibt diesmal alles drin …

Sauerstoffsättigung sinkt,
Alarm geht los,
Milch abpumpen,
Milch einfrieren, ….
So laufen die Tage dahin…
Zwischendurch werden wir immer mal wieder
auf ein Einzelzimmer verlegt,
weil der Zustand sich verschlechtert.

Von einem auf den anderen Tag wendet sich dann das Blatt.
Der Arzt auf der Kinder- Herzstation informiert uns,
das der kleine Stern in seiner derzeitigen Verfassung
nicht operiert werden kann.
Er ist zu schwach für die OP.

Die Kinder-Herzstation kann ihn nicht mehr halten
und verlegt uns auf die Intensivstation.
Dort gibt es keine Betten für die Eltern,
wir verbringen also unsere Tage und Nächte
auf einem Stuhl sitzend neben dem Bett vom kleinen Stern.

Der Geruch auf der Intensivstation und der Anblick
meines Babys an Schläuchen über Schläuchen,
plus das registrieren, das der kleine Stern
so unter Medikamenten steht,
das er eigentlich gar nicht mehr wach ist,
bringen mich fast um den Verstand.

Ab und zu fahren wir kurz nach Hause,
um zu duschen und uns umzuziehen.
Dann kommt mir alles vor, wie im Traum.
Erst im Krankenhaus holt mich die Realität wieder ein.

Der kleine Stern ist wirklich kaum noch wach.
Und wenn, dann weint und wimmert er ganz furchtbar.
Sein Zustand verschlechtert sich weiter.
Der Arzt von der Intensivstation bittet uns zum Gespräch.
Der Zustand vom kleinen Stern
gibt eine Herz-OP eigentlich nicht her.
Wird nicht operiert,
kann es der kleine Stern aber auch nicht überleben.

Wir haben keine Wahl.
Wir müssen einer OP zustimmen,
bevor der Zustand sich noch mehr verschlechtert.

Und dann geht alles ganz schnell.
Die OP wird auf den nächsten Tag angesetzt.
Freitag, 13. April 2007 – Herz-OP-Tag.

In der Schleuse vor dem OP
dürfen wir den kleinen Stern
noch ein letztes Mal verabschieden,
bevor es dann heißt:
ENDLOSES WARTEN …

Es ist unglaublich,
wie lang auf einmal 6 Stunden sein können…
Dann endlich der erlösende Anruf:

Die OP ist vorbei und war erfolgreich.
Der kleine Stern hat es geschafft und wir dürfen zu ihm.

Weitere 14 Tage Intensivstation liegen vor uns,
aber das ist in diesem Moment völlig egal.
Das erste Mal seit Wochen atmen wir auf.

Heute:

Jetzt, wo ich diesen Tag endlich mal in Worte gefasst habe,
atme ich wieder auf.
Es sollte ein Tag zur Freude sein
und vielleicht sollten wir tatsächlich
das feiern wieder einführen. Das kann ich jedoch noch nicht heute entscheiden.

Denn heute stehe ich noch weinend
im Zimmer vom
kleinen Stern an seinem Bett
und schaue ihm beim schlafen zu. Die epileptischen Anfälle in den letzten Tagen haben ihn sehr müde gemacht.

Es sind Tränen der Freude,
der Liebe und auch die Tränen einer Mutter,
die eben manchmal immer noch
Angst um ihr „Baby“ hat
und ihre Sterne am liebsten vor allem beschützen würde,
was ihnen Angst macht,
sie traurig stimmt
oder ihnen schaden könnte.

Vor allem aber und mit meinem ganzem Herzen
stehe ich hier mit Ehrfurcht und Dankbarkeit !!!
Und da gehören Tränen eben manchmal auch dazu !!!

Wie heißt es doch in Prediger 3:1 und 4:
Für alles gibt es eine bestimmte Zeit,
ja eine Zeit für jede Angelegenheit unter den Himmeln:
eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen,
eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Herumhüpfen.

Und morgen wird vielleicht wieder gehüpft …

Gute Nacht ihr Herzis,
Eure LENA

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